Ein Alphirte für den Fünfliber

Obwohl das bargeldlose Bezahlen auch in der Schweiz in den letzten Jahren stets an Beliebtheit gewonnen hat, werden nach wie vor jedes Jahr Millionen von neuen Franken- und Rappenmünzen geprägt, wenn auch gegenwärtig mit sinkender Tendenz1. Eingeführt als Ein-, Zwei- und Fünfrappen, mit zehnfachem Wert als 10, 20 und 50 Rappen, und nochmals mit zehnfachem Wert als Ein-, Zwei- und Fünffranken, sind seither die beiden kleinsten Einheiten verschwunden. Seit dem ersten Jahrgang 1850 blieben die Münzen aber keineswegs unverändert. Während den bald 175 Jahren seit der Gründung des Bundesstaates, mit der die Münzhoheit von den Kantonen an den Bund überging, änderten sich von Zeit zu Zeit die Motive und Legierungen. Eine Änderung in der Grösse erfuhr nur ein Nominal, der Fünfliber. Der Zehnräppler ist mit Ausnahme einer vorübergehenden Änderung des Materials zwischen 1918 und 1939 seit 1879 unverändert geblieben und damit die älteste Kursmünze der Welt, wodurch sie es 2021 ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte2.
Rekordverdächtig ist auch das Fünffrankenstück: Gemessen an seiner Kaufkraft ist es eine der wertvollsten Kursmünzen der Welt. In anderen Währungen, wie beispielsweise dem Euro, wird dieses Nominal durch eine Banknote repräsentiert. In der Schweiz wurden zwischen 1913 und 1953 ebenfalls zweitweise Fünffrankennoten gedruckt; sie waren aber immer parallel zu den Münzen im Umlauf3.

Ein neuer Fünfliber
Vor hundert Jahren, 1922, erhielt der Fünfliber sein heutiges Aussehen – zumindest fast. Neben der Jahreszahl, die sich natürlich regelmässig ändert, wurde 1931 die Grösse der Münze reduziert, um zu verhindern, dass der Materialwert den Nennwert übersteigen könnte. Der Weg bis zum neuen Motiv war jedoch lang. Ursprünglich ging es um eine Vereinheitlichung der Münzbilder der Halb-, Ein- und Zweifrankenstücke, wofür 1918 ein Wettbewerb veranstaltet wurde. Bereits in den Jahren zuvor setzten sich die zuständigen Stellen mit der Schaffung neuer Motive für die Silberscheidemünzen4 auseinander. Zu dieser Zeit bildete die Schweiz noch zusammen mit Frankreich, Belgien und Italien eine Münzunion, die seit 1865 bestand5. Bis 1874 zierte die sitzende Helvetia und mit der Wiederaufnahme der Prägung ab 1888 der Kopf der Helvetia die eine Seite und ein Laubkranz mit Wertangabe die andere Seite der Münze, ab 1888 mit einem Wappenschild in der Mitte.
Neben einem Wettbewerb für eingeladene Künstler gab es auch eine öffentliche Ausschreibung, auf die sich jeder mit Entwürfen bewerben konnte. Die anfänglichen Vorgaben für die Gestaltung wurden auf Wunsch einiger Künstler gelockert; eingegangen sind 268 Entwürfe für verschiedene Vorder- oder Rückseiten. Doch keiner dieser Vorschläge konnte das beurteilende Gremium vollends überzeugen. In die engere Auswahl kam schliesslich auch Paul Burkhard (1888–1964) mit verschiedenen Darstellungen eines stehenden Mannes mit einem Morgenstern oder einer Schweizer Fahne über den Schultern. Burkhard gravierte seine Entwürfe spiegelverkehrt in Schiefertafeln und erstellte daraus Gipsmodelle. Er durfte seine Entwürfe weiter ausarbeiten und erhielt auch konkrete Änderungswünsche6.
Die Umsetzung zog sich hin und wurde von der Zeit eingeholt. Durch einen sinkenden Silberpreis gelangten immer mehr Fünfrankenstücke aus den Staaten der Münzunion in die Schweiz, worauf der Bundesrat ihre Einfuhr verbot. Schliesslich wurden sie ganz ausser Kurs gesetzt und kurzfristig durch die erwähnten Fünfernoten ersetzt. Längerfristig strebte man aber eine Neuprägung von Fünflibern an, wofür man im August 1921 einen weiteren Wettbewerb ausschrieb. Wiederum befand die Jury keinen Entwurf für umsetzungswürdig, prämierte aber sechs Künstler. Diese, darunter wiederum Paul Burkhard, durften zusammen mit zwei zusätzlich eingeladenen Künstlern nun weitere Entwürfe einbringen. Burkhard verfeinerte unter anderem einen Entwurf mit der Büste eines Hirten auf der einen Seite und einem schlichten Wappen auf der anderen Seite. Am 16. Juni 1922 wurden diese Entwürfe schliesslich vom Bundesrat zur Ausführung ausgewählt.

Es ist also nicht Wilhelm Tell, den wir da auf der Münze sehen, sondern ein Mann, der den Charakter der Schweizer verkörpern sollte. Der Name des Künstlers ist auf dem Hirtenhemd am Rand verewigt. Eine Anpassung der Halb-, Ein- und Zweifrankenstücke ist hingegen nie zustande gekommen7.

Trotz Startschwierigkeiten seit 100 Jahren bestehend
Als Schwierigkeit beim Prägen erwies sich die geringe Reliefhöhe insbesondere des Hirtenhemdes. Obwohl die Stempel eigentlich noch nicht fertig überarbeitet waren, durfte sich die Prägung nicht weiter verzögern, sodass anfangs 1923 die ersten Münzen mit der Jahreszahl 1922 geprägt wurden.8

Die Schaffhauser Nachrichten berichteten am 5. Februar 1923, dass der Bundesrat «auf Grund ihm vorliegender Probestücke» beschlossen habe, nach den technischen Schwierigkeiten nun mit der Prägung zu beginnen. Schon eine Woche später erhielt die Redaktion von der Kantonalbank eine erste Prägung, mit der Ausgabe müsse man sich aber noch einige Wochen gedulden.9
Bei den späteren Stempeln wurde dann auch das Schweizerkreuz mit etwas dünneren Balken vorschriftsgemäss dimensioniert und 1924 die Schrift der Wertangabe «5 Fr.» nochmals angepasst. Die neuen Fünffränkler wurden anfangs oft kritisiert, weil viele sich zwischenzeitlich bereits an die platzsparenden Noten gewöhnt hatten.
Nach der Auflösung der «Lateinischen Münzunion» 1927 wurde das Münzgesetz 1931 revidiert, wobei das Gewicht des Fünffrankenstücks von 25 Gramm auf 15 Gramm reduziert und der Durchmesser von 37 Millimeter auf die heutigen 31 Millimeter verkleinert wurden. Seit dem Wechsel von Silber auf Kupfernickel im Jahr 1968 präsentiert sich die Münze heute, mit Ausnahme der Randschrift, fast unverändert.
Aufgrund grösserer Mengen an Falschmünzen ab Ende der 1980er Jahre wurden die Jahrgänge 1985 bis 1993 per 1. Januar 2004 ausser Kurs gesetzt.10 Abnutzung und Rücknahme sind auch zwei wesentliche Gründe, weshalb jedes Jahr grosse Mengen neuer Münzen geprägt werden.
Dass die Fünffrankenstücke im Volksmund gemeinhin als «Fünfliber» bezeichnet werden, soll übrigens auf die früher in Frankreich geprägten 5-Livre-Münzen zurückgehen, welche den 5-Franc-Münzen sehr ähnlich waren. Aus den «Livre» (Pfund) wurden dann im deutschen Sprachgebrauch «Liber».

Adrian Bringolf, M. A.
Kurator Numismatik, Museum zu Allerheiligen
Schaffhausen

Anmerkungen:
1 Swissmint (Hg.): Prägungen von Schweizer Münzen ab 1850, Bern 2023.
2 Medienmitteilung von Swissmint vom 13.4.2021.
3 Swissmint (Hg.): Prägungen von Schweizer Münzen ab 1850, Bern 2023.
4 Als «Scheidemünzen» werden Münzen bezeichnet, deren Materialwert unter dem Nennwert liegt.
5 Vgl. Bringolf, Adrian: Der Schweizer Franken bis zum Ende der Lateinischen Münzunion, in: Sturzenegger-Stiftung Schaffhausen (Hg.): Jahresbericht und Erwerbungen 2019 / 2020, S. 238 – 243.
6 Koch, Hanspeter: Paul Burkhards Fünfliber. 1922 – 2022: Ein Klassiker wird hundert, Zürich 2022, S. 17 – 22.
7 Ebd., S. 38 – 44.
8 Ebd., S. 47 – 58.
9 Schaffhauser Nachrichten, 5.2.1923 und 12.2.1923.
10 Swissmint (Hg.): Prägungen von Schweizer Münzen ab 1850, Bern 2023.

Hier finden Sie die ausführliche Beschreibung dieser Neuerwerbungen aus dem Jahresbericht 2021/2022.

Fotos: Adrian Bringolf, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen