Neuerwerbung

«Anbetung der Heiligen Drei Könige», 1522, von Bernhard Striegel, Werkstatt


Die Bildtafel aus der Werkstatt des Memminger Künstlers Bernhard Strigel (1460/61 – 1528), Hofmaler Kaiser Maximilians I., war einst Teil eines Altarretabels, als Aussenseite eines der Flügel, die den Schrein verschlossen.

Bernhard Strigel, Werkstatt, Anbetung der Heiligen Drei Könige, 1522. Mischtechnik auf Nadelholz, 98 x 90 x 6 cm (Rahmenmass), 92.5 x 84 cm (Bildmass), Inv. A2520

Sie stellt den rechten Teil einer Anbetung der Heiligen Drei Könige dar, die dem neugeborenen Christuskind ihre Geschenke darbringen. Erstaunt und sichtlich bewegt vom Weihnachtsereignis knien und stehen die Männer, die weniger als Könige denn als die Weisen aus dem Morgenland dargestellt sind, vor dem Kind und seiner jungfräulichen Mutter, die links auf einer weiteren Tafel vorzustellen sind.

Bernhard Strigel, Werkstatt, Die Jungfrau mit Kind und die Heiligen Drei Könige, 1522. Gegenüberstellung im Auktionskatalog für die Sammlung Han Coray, Antiquitätenhaus Wertheim, Berlin 1930

Das Ensemble der Anbetungsszene war 1930 noch vollständig, als es im Antiquitätenhaus Wertheim in Berlin versteigert werden sollte. Im Auktionskatalog sind beide Tafeln abgebildet. Über die Rahmungen hinweg bilden die Darstellungen eine Einheit. Formal verbindet die Architektur die beiden Bilder. So befinden sich die drei Männer vor einer niedrigen, abgestuften Mauer, die auf der links anschliessenden Tafel mit Maria und dem Jesuskind in eine rudimentäre Palastarchitektur übergeht. Über die kompositorischen Elemente hinaus verbinden Aspekte der Geschichte und des Gefühlsausdrucks der Figuren beide Teile miteinander. Die ehrerbietige, demütige, irritierte Haltung der einzelnen Könige reagiert auf die fröhlichen Gesichter von Maria und Jesus. In der Geste des Kindes, das von seiner Mutter im weit geöffneten Mantel präsentiert wird, zeigt sich ein herzliches Willkommen der drei etwas verunsicherten, heiligen Männer. Die überlieferte Fotografie der beiden Tafeln ermöglicht überdies die Datierung auf das Jahr 1522, das auf der Mauer rechts neben Jesu Heiligenschein prangt. Weitere zwei Tafeln können den Aussenseiten der Altarflügel dieses verlorenen Altarretabels zugeordnet werden: eine heilige Anna selbdritt sowie ein heiliger Christophorus. Während Erstere im Juni 2012 im Auktionshaus Fischer in Luzern versteigert wurde, konnte Letzterer 2019 durch die Vereinigung Schaffhauser Kunstfreunde anlässlich ihrer Auflösung angekauft und dem Museum als Depositum übergeben werden.

Bernhard Strigel, Werkstatt, Der heilige Christophorus, 1522. Mischtechnik auf Holz,
98 x 91.3 x 4 cm (Rahmenmass), 91.5 x 84 cm (Bildmass), Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Depositum des Kunstvereins Schaffhausen, Sammlung Kunstfreunde, Inv. A2432

Wie die Heiligen Drei Könige sind auch die beiden Tafeln mit der heiligen Anna selbdritt und dem heiligen Christophorus kompositorisch und ikonografisch eng aufeinander bezogen.

So finden die Felsen an den jeweiligen Bildrändern ihre Übereinstimmung und sogar der baumartige Stab des Christophorus hat sein Äquivalent in dem Baum auf der Annentafel. Zudem entsprechen sich die beiden Heiligen in ihrer Rolle als Christusträger:in.

Die vier bemalten Tafeln ergaben in geschlossenem Zustand des Altarschreins also eine inhaltliche und künstlerische Einheit. Reminiszenzen an die einstigen Innenseiten der Altarflügel zeigen sich auf der Rückseite der Dreikönigstafel und des heiligen Christophorus.

Drei Könige, 1522. Ansicht der Rückseite mit Umrissen entfernter Reliefs von Heiligenfiguren, Inv. A2520

Hier zeichnen sind die Umrisse je zweier Figuren ab, die einst mit an den Tafeln befestigten Holzreliefs übereinstimmten. In geöffnetem Zustand dürften die Altarflügel gesamthaft acht geschnitzte Heilige präsentiert haben.

Die Heiligen Drei Könige lassen sich ins nächste Umfeld von Bernhard Strigel einordnen. Wie die Strigel-Forscherin Anna Moraht-Fromm darlegt, wurde die Zuschreibung in den Werkstattkontext von Strigel zwar bereits von Max Friedländer in Bezug auf Anna selbdritt hergestellt, die 2012 im Auktionshaus Fischer Luzern auch unter Strigels Namen verkauft wurde.

Aufgrund neuerer Forschungen wies Moraht-Fromm darauf hin, dass der Maler der vier hier erläuterten Tafeln derselbe Maler ist, der Teile des Hochaltars im Benediktiner Kloster Blaubeuren gemalt hat. Sie fand darüber hinaus weitere Werke, die diesem Maler zugeschrieben werden können. Da bekannt ist, dass die Werkstatt Strigel nicht nur Familienmitglieder beschäftigt hat, schlug Moraht-Fromm als Notnamen «Meister der Blaubeurer Kreuzigung» vor.
Die beiden Tafeln mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige sowie die Tafel mit dem heiligen Christophorus befanden sich Anfang des 20. Jahrhunderts im Besitz des umtriebigen Sammlers und Kunsthändlers Han Coray in Zürich. Weil dieser Geld benötigte, beabsichtigte er ab 1928 Teile der Sammlung zu verkaufen. Von diesem Zeitpunkt an wurde versucht, die Tafeln von Julius Böhler in München zu verkaufen. Mehrfach gab Böhler sie anderen Kunsthändlern in Kommission, so dem Antiquitätenhaus im Prinzenbau von Dr. Morton Bernath in Stuttgart oder dem Antiquitätenhaus Wertheim in Berlin, wo die Tafeln schliesslich versteigert wurden. Böhler verkaufte den heiligen Christophorus selbst. Dieser geriet in unbekannten deutschen Privatbesitz, bevor er 2019 im Auktionshaus Lempertz Köln wieder auftauchte.

Der Verbleib von Maria mit dem Jesuskind ist bis heute unbekannt, während die Heiligen Drei Könige laut dem Letztbesitzer, dem Münchner Rechtsanwalt Hans Constantin Faussner (*1925) ein nicht mehr feststellbarer Sammler und Kunsthändler namens Rudolf Sturm gewesen sein soll. Ob dieser auch 1930 der Käufer war, konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

Dr. Andreas Rüfenacht
Kurator Kunst, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen

Hier finden Sie die Beschreibung dieser Neuerwerbungen aus dem Jahresbericht 2023/2024.