«Eislauf auf dem Untersee», 1925, Adolf Dietrich (1877–1957)
Öl auf Karton, 40.1 x 59.8 cm, Inv.-Nr. A2452, © 2022, ProLitteris, Zürich*
Bei «Eislauf am Untersee» handelt es sich motivisch um ein rares Stück im Werk Adolf Dietrichs. Die Freuden der Schlittschuhläufer spielen sich auf dem teilgefrorenen Untersee zwischen Berlingen und Steckborn ab. «Eislauf» erweitert die nunmehr auf 13 Werke – sieben davon im Eigentum der Sturzenegger-Stiftung – angewachsene Sammlung an Gemälden Dietrichs um ein Motiv, das Landschaft und Genrebild miteinander verbindet. Typisch für gattungsübergreifende Kombinationen sind die Stillleben vor einer Landschaft wie «Gelbe Dahlien vor Seelandschaft» (A1762) oder «Blühender Schlangenkaktus vor Seelandschaft» (A1884). Die Kombination einer vedutenhaften Überblickslandschaft mit einer Genreszene, die entfernt an Winterlandschaften mit Spielen einer ländlichen Bevölkerung auf gefrorenen Gewässern in der holländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts erinnert, entpuppt sich im Werk Dietrichs als Besonderheit, bindet er hier doch den Menschen ein. Zwar sind Darstellungen von Menschen für ihn nicht ungewöhnlich, doch finden sie sich in seinen reinen Landschaftsdarstellungen normalerweise nicht wieder. Im «Eislauf» kontrastiert die für ihn typische, akribische Beobachtung einer Landschaft mit der hölzern anmutenden Darstellung seiner Figuren. Umso lieblicher sind die Details der Aktivitäten der Eisläuferinnen und Eisläufer, welche die gerade in seinen Figurenbildern in Erscheinung tretende Einfühlsamkeit unter Beweis stellen.
1925 präsentierte der Dietrich-Förderer und jüdische Galerist Herbert Tannenbaum in Mannheim den «Eislauf» in einer Verkaufsausstellung. Offenbar war diese Ausstellung ein grosser Erfolg. So kommentierten sowohl Tannenbaum als auch Dietrich später, bei der Ausstellung seien nahezu alle Werke Dietrichs verkauft worden. Tannenbaum musste 1937 verfolgungsbedingt Deutschland verlassen, ging nach Amsterdam und von dort später nach New York. 1926 war das Gemälde in einer Ausstellung des Winterthurer Kunstvereins. Im Katalog dazu ist auf einen namentlich nicht näher feststellbaren Privatbesitz verwiesen, was die Vermutung bestärkt, dass Tannenbaum das Werk bereits 1925 hatte verkaufen können. 1934 ist das Werk in Basel bei der Galeristin Bettie Thommen nachweisbar, die ebenfalls Dietrich gefördert hatte. Auf dem originalen Bildträger ist ein Mannheimer Zollstempel sichtbar, der zwischen 1921 und 1937 verwendet wurde. Solche Stempel wurden bei Geschäftsabschlüssen angebracht, die einen Grenzübertritt zur Folge hatten. 1957 stand das Kunsthaus Zürich wegen einer Gedächtnis-Ausstellung, in der «Eislauf» ausgestellt war, in Kontakt mit Tannenbaum. Das Werk selber vermerkt auf dem alten Rückseitenschutz auf einem Etikett des Kunsthauses Zürich den Besitzer «Dr. Alge» in Basel. Dabei handelt es sich um den Chemiker Arnold Alge-Sandherr, der sich 1944 in Basel niedergelassen hatte. Von seinen Nachfahren wurde das Gemälde zur Auktion gebracht.
Die Sturzenegger-Stiftung konnte das Werk 2021 erwerben.
Dr. Andreas Rüfenacht
Kurator Kunst, Museum zu Allerheiligen
Hier finden Sie die ausführliche Beschreibung der Neuerwerbung von HAdolf Dietrich aus dem Jahresbericht 2021/2022.
Foto: Jürg Fausch
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